Memoria dolet. Der schwierige Umgang mit der Erinnerung an den Holocaust in der Bankenstadt Frankfurt
DOI:
https://doi.org/10.60684/msg.v55i2.70Schlagworte:
Stadtgeschichte, Holocaust, ErinnerungskulturAbstract
Der Beitrag widmet sich den Widerständen, das Wirken des Nationalsozialismus auf kommunaler Ebene umfassend aufzuarbeiten. Tatsächlich bestehen bis heute, also 80 Jahre nach den Ereignissen, noch große Forschungsdefizite, die einer Gesamtdarstellung der Stadt Frankfurt im Nationalsozialismus entgegenstehen. Warum ist es immer noch schwierig, über den Nationalsozialismus zu schreiben, wenn es um die Verantwortung von Unternehmen und Banken geht? Ausgerechnet in der Bankenstadt Frankfurt blieben im zentralen Bereich der Wirtschaft erfolgversprechende Anfänge vor einem Vierteljahrhundert ohne Nachfolge. Die damals entstandenen Studien zur Deutschen Bank und zur Commerzbank standen im Kontext einer versuchten Neuausrichtung der in Frankfurt ansässigen Zeitschrift für Unternehmensgeschichte und der 1976 gegründeten Frankfurter Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG). Eine Tagung „Unternehmer und Unternehmen im Nationalsozialismus“ im I.G.-Farben-Haus im Sommer 1997 machte öffentlich, was damit beabsichtigt gewesen war: ein offener Umgang mit den Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus auch in der Unternehmensgeschichte. Das betraf natürlich gerade auch die Bankenstadt Frankfurt. Auch Festschriften sollten keine geschönten Darstellungen der Vergangenheit und insbesondere der nationalsozialistischen Vergangenheit mehr beinhalten, sondern den Kriterien seriöser Wissenschaft genügen. Doch bereits wenige Jahre danach revidierte die deutsche Unternehmensgeschichte – den Neuanfang ignorierend, den die Konferenz im I.G.-Farben-Haus eingefordert hatte –und es erschienen wieder in langer Reihe Studien, die sich über die Beteiligung der Bankhäuser an den Enteignungen ihrer jüdischen Kunden ausschweigen. Das ist der Grund, warum sich bis heute lediglich drei von über drei Dutzend in der NS-Zeit in Frankfurt aktiven Bankhäusern offen zu ihrer verbrecherischen Praxis in der NS-Zeit bekannt haben. Es liegen also gleich in doppelter Hinsicht Erinnerungsprobleme vor: zum einen bei den Banken und zum anderen bei den Historiker*innen, genauer bei einem größeren Teil der Unternehmenshistoriker*innen.
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